Elternsprecher der Stadt Leipzig von 2010 – 2013: Anja Sinzig

Seit 25 Jahren gibt es in Leipzig einen Stadtelternrat. Das Gremium ist Ansprechpartner für  die Eltern schulpflichtiger Kinder, der Stadtverwaltung, der Bildungsagentur und vieler anderer Organisationen die an Schule beteiligt sind. Die ehrenamtliche Mitwirkung hatte über die Jahre viele Namen. Doch was war deren Motivation dahinter?  In loser Folge führt der Stadtelternrat Interviews mit Elternsprechern, die ihre Freizeit zum Wohle anderer Kinder opferten.

Anja Sinzig

Vorsitzende des Stadtelternrat von 2010 bis 2013

Der Steckbrief zu Person

  • Ich komme aus dem Westen, lebe aber bereits 18 Jahre in Leipzig. Ich bin 52 Jahre alt, meine Kinder fast 14 und fast 20.
  • Mein Kleiner besucht die Mittelschule.
  • Pflegemutter ein paar Jahre.

Schulen:

Ich hatte Berührung mit der Lessing-Grundschule, dem Robert-Schumann-Gymnasium, dem Brockhaus-Gymnasium(kurz) und der 68. Grundschule. Kurzen Einblick nahm ich in eine Förderschule für behinderte Kinder, da mein Sohn 3 Jahre eine Inklusionsklasse besuchte, in der 9  Mädchen mit Down-Syndrom mitlernten. Seit über 11 Jahren lebe ich mit Schule-und es geht noch weiter …

Ehrenämter:

Elternratsvorsitzende im Kindergarten (Hohe Straße), ehrenamtlich Englischunterricht im Kindergarten abgehalten, Klassenelternsprecherin in der Grundschule, ehrenamtlich eine Zeit die Schulbibliothek geführt, Elternratsvorsitzende und Vorsitzende des Fördervereins Robert-Schumann-Gymnasium, Gründungsmitglied der Zukunftsakademie in Lpz,

(im Beruf noch 2 Ehrenämter)

Ehrung: Joker im Ehrenamt

Sehr geehrte Frau Sinzig, wie lange hatten Sie den Vorsitz im Stadtelternrat inne? Von wem hatten Sie das Amt damals übernommen? Haben Sie noch Kontakt zu Ihren ehemaligen Mitstreitern?

SER tagte zu meiner Zeit in der damals stillgelegten Schule in Wahren.
An die Dauer erinnere ich mich nicht mehr. Übernommen hatte ich das Amt von Sissy Füßl eigentlich als Stellvertreterin. Der Vorsitzende fiel aber dauerhaft aus, so dass ich den Vorsitz übernommen hatte. Zu Frau Füßl und den in der Zeit agierenden Vertretern halte ich losen Kontakt. Wir treffen uns jährlich.

Was hatte Sie dazu bewogen Elternvertreter zu werden? Über welche Quelle haben Sie von Elternmitwirkung erfahren?

Meine Motivation war meine Einstellung, nämlich jener, dass wir ALLE ein Teil des Staates sind und somit unseren Beitrag leisten können. Außerdem kritisiere ich gerne, was meiner Meinung nach aber nur dann Sinn macht, wenn man einen Verbesserungsvorschlag vorweisen kann. Außerdem finde ich es wichtig und interessant, immer BEIDE Seiten einer Sache zu beleuchten, was mir aber nur dann gelingt, wenn ich an der Sache dran bin. Konkret: Die Arbeit im Kindergarten/Schule kann ich nur dann bewerten (und schätzen), wenn ich sie auch kenne-auch aus der Sicht der Erzieher/Lehrer.

Ich wusste, dass es Elternbeiräte gibt- keine besondere Quelle.

Mit welchen Zielen sind Sie in Ihr Amt gegangen? Welche haben Sie davon erreicht und warum ist dies gerade mit jenen gelungen?

Mein Hauptanliegen war, zu unterstützen, wo es der Mithilfe bedurfte und als Bindeglied und Vermittler zu agieren. Denn ich war und bin überzeugt davon, dass manches Problem leichter zu lösen wäre, wenn die Kommunikation stimmte. Zudem gibt es ja auch Eltern, die nicht über das nötige Selbstbewusstsein verfügen, um sich eine Stimme zu verschaffen.

Außerdem ließen sich manche „Aktionen „ , die erst einmal nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Institution standen, mit Hilfe der Eltern gut durchführen. Beispiele: Sammeln für Hochwasseropfer, Sammeln für das Sozialwarenhaus, Kleidertausch untereinander. ..

Als ich Elternratsvorsitzende war, hielt ich es für sinnvoll auch den Vorsitz des Fördervereines zu übernehmen, um Projekte für die Schule leichter umzusetzen. Es war mir so möglich, Themenelternabende mit Kooperationspartnern zu gestalten, die über den Förderverein finanziert wurden.

Überall dort, wo der Schule finanziell Hürden aufgebürdet waren, konnte der Förderverein zugunsten der Eltern agieren. Was die Kombination Elternrat/Förderverein anging, so konnte ich doch in kleinen Schritten Erfolge verzeichnen. Der Vorteil war hier, dass ich auf alle Eltern immer wieder Zugriff hatte und mit den einzelnen Situationen gut vertraut war. Ebenso konnte ich ein Vertrauensverhältnis zu Schulleitung und Lehrern aufbauen. Meine regelmäßige Präsenz und mein Einsatz für Eltern und Schule haben wohl zum Ziel geführt.
Im Stadtelternrat hat mir der Aufbau eines Netzwerkes in sämtliche Richtungen sehr geholfen.

Welche Erfahrungen haben Ihre Elternvertreterzeit geprägt? Hatten Sie Unterstützung aus der Elternschaft ihrer Schule? Wie gestaltete sich diese?

Diese Zeit hat mir das bestätigt, was ich auch in anderen Bereichen des Lebens immer wieder sehe. Der Mensch kritisiert gerne, hat aber selten einen Alternativvorschlag bereit. Die Erwartungshaltung an die andere Seite geht oft einher mit mangelndem Einblick. Deshalb bedarf es Leute, die es verstehen zu vermitteln. Dann nämlich, wenn die Hürde geringer ist und der Mensch näher an der Sache dran ist, kann er sich einbringen und besser mit einer Sache identifizieren.

In der Gymnasium-Zeit hat sich ein Kreis engagierter Eltern gefunden, die sich bei so ziemlich allen Anliegen der Schule gefunden haben. Diese engagierten Elternvertreter haben die nötigen Informationen in ihre Klassen getragen und waren selbst die ersten helfenden Hände.

Was würden Sie sagen, welche Eigenschaft haben Sie im besonderen Maße als Vorsitzende gebraucht?

Zunächst einmal bedarf es des unabdingbaren Glaubens an die Sache und des Willens, sich nicht durch Rückschläge entmutigen zu lassen.

Man benötigt Einfühlungsvermögen, Diplomatie, Objektivität und ein größeres Maß an Belastbarkeit, wenn man es sich zum Ziel gesetzt hat, so viel wie möglich mitzugestalten.

Ganz wichtig ist aber auch m.E., dass man die Draufsicht nicht verliert, d.h. den Blick für das Große und Ganze nicht aus den Augen lässt, weil man von einem Einzelfall gefangen ist.

Das Wichtigste: Freude an der Arbeit!

LVZ Artikel veröffentlicht: Freitag, 12.08.2011 10:55 Uhr - nicht erst seit heute (2017) mahnen Elternvertreter fehlende Schulplätze an.
LVZ Artikel veröffentlicht: Freitag, 12.08.2011 10:55 Uhr – nicht erst seit heute (2017) mahnen Elternvertreter fehlende Schulplätze an.

Rückblickend, was hat Ihnen am meisten Freude bereitet dieses Ehrenamt auszufüllen? Mit was hatten Sie eher nicht gerechnet? Worauf sind Sie heute noch Stolz?

Mitzugestalten und nicht hilflos daneben zu stehen, hat mir Spaß gemacht. Ebenso der Umgang mit vielen verschiedenen Menschen und Institutionen . Und dass ich die Chance hatte, kreativ e Lösungen zu finden.

Stolz bin ich auf gar nichts. Ich freue mich, dass ich in kleinen Schritten etwas erreichen konnte, indem ich z.B. einzelnen Eltern konkret Hilfe verschaffen konnte.

Überrascht war ich so manches Mal über das Phlegma der Eltern und die Verbohrtheit mancher Lehrer. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass man heute in den Schulen die Kinder „in eine Schublade“ steckt, aus der sie schwerlich wieder herausfinden. Ich war auch ehrlich erstaunt darüber, dass man bereits in der Grundschule sämtliche Therapien für die Kleinen vorschlägt statt den Blick der Pädagogen zu schärfen. Und mir scheint, dass man immer weniger Pädagogen findet, je mehr man über Pädagogik spricht.
Aber auch in anderem Sinne war ich erstaunt. Nämlich darüber, dass viele Lehrer in Sachsen einfach im Stich gelassen werden. Sie sind überfordert und werden deshalb oft krank. Zurückzuführen ist das auf die viel zu wenigen besetzten Stellen.
Auch müssen die Lehrer oft unter dem Vorurteil leiden, dass sie ja nur Freizeit haben. Ich habe sehr engagierte Erzieher und Lehrer kennengelernt, die ihre freie Zeit dazu nutzten, den Schulunterricht und das, was zur Schule noch dazugehört, vorzubereiten.

Ganz abgesehen davon, dass die Gelder viel zu knapp sind und viele Lehrer auch finanziell noch privat in Schulmaterial investieren.

2010 standen Schulbibliotheken kurz vor dem aus. Dank der Arbeit der Elternvertreter hat sich hier das Bild entscheidend gewandelt.
2010 standen Schulbibliotheken kurz vor dem aus. Dank der Arbeit der Elternvertreter hat sich hier das Bild entscheidend gewandelt.

Den Ansprechpartnern in der Stadt auf Augenhöhe zu begegnen, bedeutet auch sich in der Materie Auskenne. Wie haben Sie es geschafft sich dieses Wissen anzueignen? Wer konnte Sie dabei unterstützen?

Über fast jedes Thema lässt sich im Internet recherchieren. Außerdem habe ich gute Erfahrung damit gemacht, einfach bei den zuständigen Stellen nachzufragen. Ich kann niemanden spezielles nennen, den ich als Berater herangezogen hätte. Natürlich haben die Mitstreiter im SER ihre Erfahrungen und Kenntnisse immer mit eingebracht! Ich hatte das große Glück, dass wir uns sehr gut ergänzt und verstanden hatten.

Ehrenamt kann man auf dem Papier machen oder mit Leben erfüllen. Wo haben Sie sich eher gesehen? Welche zeitlichen Umfang so über einer Woche haben Sie in das Amt gesteckt?

Ich habe das Ehrenamt m.E. immer mit Leben gefüllt, indem ich so viele Termine wie möglich wahrgenommen habe, um Menschen persönlich gegenüber zutreten.

Ich hatte bereits um 04:00 morgens die ersten Mails versendet, mittags auch im Büro Anrufe erhalten und abends Termine wahrgenommen. Manchmal habe ich mir Urlaub genommen für SER-Termine. Sagen wir mal: Das Amt entsprach schon einer Halbtagstätigkeit vom zeitlichen Umfang- geistig war ich ständig damit beschäftigt.

Hatten Sie Kontakt zu den anderen KER_Vorsitzenden der SBAL? Wie gestaltete sich diese Zusammenarbeit?

Da ich automatisch zum LER gehörte, nahm ich an diesen Sitzungen in Dresden teil. Dauerkontakt bestand weniger.

Stadtelternsprecher als Solo-Nummer, geht das eigentlich? Wo (Amt, Schule etc.) und von wem (Funktion) hätten Sie sich mehr Unterstützung gewünscht?

Zwar soll man den SER ruhig mit einem Gesicht in Verbindung bringen, die ganze Arbeit kann und darf aber nicht nur bei einer Person liegen. Mehr Elternengagement hätte mir an manchen Stellen gut gefallen. Es war teilweise nicht zu fassen, wie wenige Leute bei den Vollversammlungen des SER erschienen sind.

Angenommen Sie könnten noch ein mal antreten? Was würden Sie heute anders machen? Was möchten Sie den heutigen Elternvertretern mitgeben?

Spontan fällt mir nicht ein, was ich ändern würde. Ich weiß, dass mein Idealismus manchmal hätte heruntergeschraubt werden müssen, aber ich weiß auch, dass man ohne Idealismus so ein Amt gar nicht erst bekleiden kann. Den Eltern würde ich sagen, dass sie fest an ihrer Überzeugung festhalten müssen und kämpfen, auch wenn es manchmal nicht zu lohnen scheint. Und ich würde mir wünschen, dass das Forum SER nicht so sehr als Schauplatz der Eitelkeiten dienen würde. Die Gefahr, dass Themen schnell persönlich werden, ist in so einem Gremium immer da.

Für wichtig halte ich auch, dass man nicht die „Draufsicht“ verliert und den Blich für das Große und Ganze. Ab und zu einen Schritt zurückgehen und die Situation sachlich betrachten ist ganz wichtig, da doch sehr viele Emotionen im Spiel sind, wenn es um unsere Kinder geht.

Nicht immer geht alles nach Plan. Und Wünsche werden nur selten erfüllt. Woraus konnten sie etwas lernen und würden dies gern den heutigen Elternvertretern mitgeben.

Große Ziele mit kleinen Schritten angehen.
Würdigungen halte ich schon für sinnvoll, denn eine Anerkennung motiviert und bringt das Amt vielleicht auch ins Gespräch.

Vielen Dank für das Gespräch!

Beitrag vom 7.04.2017 von Petra Elias