Interview des LVZ Schlingel Magazins mit Annette Baumeister Arbeitskreis Leiterin Freie Schulen

Anfrage LVZ, Schlingel zu Schulnoten:

1.  Welche alternativen Konzepte (auch Ideen/Pläne) zur Leistungsbewertung gibt es an den Freien Schulen in Leipzig? Was berichten Eltern, deren Kinder notenfrei bewertet werden?

Es gibt starke Unterschiede an den Freien Schulen in Leipzig. Es gibt Schulen, die keine Noten vergeben und/oder erst in höheren Klassen zur Notengebung kommen – allen voran die Waldorfschulen.

Die Kinder und Jugendlichen bekommen von ihren Lehrerinnen und Lehrern regelmäßig – mündlich und schriftlich – Feedback über ihre persönliche Lernentwicklung und den erreichten Lernstand. Kompetenzen, Lern-, Arbeits- und Sozialverhalten werden hier besonders betrachtet. Auch unter den Schülern/innen gibt es Rückmeldungen.

Unter den Eltern ist das umstritten. Die Eltern wählen die Schule nach dem Konzept aus. Einige bevorzugen Schulen, die keine oder erst spät Noten erteilen. Die meisten Eltern – wohl auch in Leipzig – bevorzugen Schulen mit Notengebung.

Der Paradigmenwechsel im Bildungssystem mag hier zu einem Umdenken führen – das aber ist Zukunftsmusik.

 

2.  Wie erleben Sie in Ihrer Funktion das Thema Zensuren? Wann bzw. wie häufig ist das ein Thema? Wird es unter den Eltern kontrovers diskutiert?Welche Rolle hat die Änderung in der Bildungsempfehlung gespielt?

 

Noten schaffen Rangordnungen und geben nicht zwangsläufig faire Informationen über Leistungen. Hohe Motivation, Spaß, Begeisterung basieren nicht auf Konkurrenz bzw. Noten. Beziehungen und miteinander sind entscheidend. Gute Schulen brauchen starke Beziehungen.

 

Schulen sollten keine Lehranstalt klassischer Prägung sein. Schüler sollten nicht unterrichtet werden, um später Arzt, Anwalt, Bauer oder… zu werden. Schulen sollten ein attraktiver Lernort sein. Schüler/innen sollten das, was sie tun in dem Moment, in dem sie es tun, sinnvoll finden und auch gerne machen.

 

Der Druck aufgrund der Bildungsempfehlung in der Grundschule bleibt selbst nach der Änderung – Mitspracherecht der Eltern – groß. Zuweilen hat man den Eindruck, dass bei den Kindern und vor allem auch bei den Eltern das ganze weitere Lebensglück an dieser Entscheidung hängen würde. Die Potentiale der Kinder können in dieser Lebensphase nicht eindeutig eingeschätzt werden. Ein längeres gemeinsames Lernen – wie in wenigen Bundesländern praktiziert – würde diese Entscheidung zumindest vertagen.

 

3.  Sind Sie mir der derzeitigen Situation zufrieden oder wünschen Sie sich eine Veränderung? Wenn ja, warum und wie sehe diese dann konkret aus?

Hier würde ich zunächst mit den Argumenten von Margret Rasfeld, Mitinitiatorin von Schule im Aufbruch“ und ehemalige Schulleiterin der mehrfach ausgezeichneten ESBZ antworten:

 

„Schulen sind wirkmächtig. Sie prägen Einstellungen und Haltungen maßgeblich. Dies tun sie vor allem durch den „heimlichen Lehrplan“, die gelebte Kultur. Steht der Mensch im Mittelpunkt oder der Stoff, der Potenzialblick oder der Defizitblick, Kontrolle oder Vertrauen. In Zeiten, wo Kreativität, Komplexität und Querdenken bedeutsam sind, lehrt der heimliche Lehrplan Zerstückelung im 45 Minuten Fächerkorsett. Die Ökonomisierung ist auch in die Schulen eingezogen, vermessene Schulen, standardisierte Schüler, Ranking. Rankings und Noten bedienen alte Muster; sie sind ein Instrument des Wettbewerbs. Sie prägen junge Menschen auf Vergleich und Konkurrenzgeist. Eltern laufen mit in diesem Hamsterrad der Bestnoten. Dabei geht die Kreativität und Begeisterung verloren. Und eines ist der Schule bisher besonders gelungen: Sie hat vielen Menschen Angst vor Fehlern eingeprägt.

 

Das bedeutet: Lernen muss sich substanziell, tiefgreifend und radikal verändern. Die Zukunft braucht Kooperations-, Beziehungs- und Vernetzungsqualitäten sowie den produktiven Umgang mit Ungewissheit und Veränderungen. “

 

4.  Wenn Sie mir eine persönliche Frage gestatten: Ihr Kind geht auf das Eva SchulZe und wird demnach klassisch benotet, richtig?

Das ist richtig, am Eva SchulZe wird klassisch benotet

Wir haben im Januar im Rahmen des TAGS DER IMPULSE einen Workshop zum Thema Zeugnis 2.0 angeboten. Die Referenten kamen von der Hero Society, Leipzig. Hier wird nach einem „Messgerät“ geforscht als Nachweisinstrument für Kompetenzen ergänzend zum klassischen Zeugnis – hoch spannend. Die Schüler/innen haben die BeWERTung durch Noten kritisiert und überlegt welche sinnvollen Alternativen möglich seien. Es gibt auch immer mehr Bildungsexperten die zu anderen Konzepten raten. Auch hier ist der Weg das Ziel.